Wehrpflicht für alle: Frauen als verfügbare Menschenmasse
Wenn der Staat wahlweise für mehr kämpfende, arbeitende oder gebärende Frauen wirbt, geht es sicher nicht um Feminismus – sondern einfach um Bedarf.
Z ur großen Freude der hiesigen Kriegstüchtigkeitsbegeisterten hat das dänische Parlament in dieser Woche die Wehrpflicht für Frauen beschlossen. Der perfekte Moment, um auch in Deutschland noch einmal die Forderung aufzustellen: Mehr Frauen an die Waffe! Schaut doch, im progressiv-feministischen Dänemark machen sie es auch so! Und würde es denn nicht der Gleichstellung von Mann und Frau widersprechen, wenn nur Männer für unsere Sicherheit kämpfen dürften? Ja, was für ein archaisches, nein, antifeministisches Weltbild steckte denn hinter dem Gedanken, die Wehrpflicht sei nur was für Männer?
Wenn alte, aufrüstungsfreudige Männer wie der grüne Ex-Außenminister Joschka Fischer den Dienst an der Waffe plötzlich zu einem feministischen Akt hochstilisieren, ist das nicht nur perfide – es ist auch einer der ältesten PR-Tricks in der modernen PR-Trickkiste.
In den späten 1920er Jahren stand die US-amerikanische Tabakindustrie vor einem Problem: Für die Hälfte der potenziellen Tabakkonsumenten war das Rauchen tabu – Zigarettenherstellern gingen Profite in Milliardenhöhe durch die Lappen. Also heuerte die American Tobacco Company den PR-Spezialisten Edward Bernays an, um mehr Frauen zum Rauchen zu bringen. Was tat Bernays? Er kreierte die erste moderne PR-Kampagne: Die Zigarette machte er zur „Fackel der Freiheit“, einem Zeichen weiblicher Emanzipation, und bezahlte junge Frauen, um beim Ostermarsch 1929 zigarettenrauchend durch New York zu marschieren. Ein riesiger Erfolg: Bilder der rauchenden Demonstrantinnen gingen durch alle Zeitungen des Landes, und noch im selben Jahr stieg der Tabakkonsum von Frauen deutlich an.

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Not an der Frau
Die Bundesregierung steht gerade vor einem ähnlichen Problem: Deutschland soll „kriegstüchtig“ werden; das nötige Geld für Panzer und Drohnen ist nun da – aber es fehlen noch die Menschen, die die teuren Gerätschaften auch bedienen können. Es ist also so viel Not am Mann, dass eben auch Not an der Frau, ja sogar der nichtbinären Person ist. Und wie ließe sich die moderne junge Frau besser für die Bundeswehr anwerben als mit Feminismus?
Es stimmt schon. Das Rauchtabu für Frauen, die reine Männerwehrpflicht und der Ausschluss von Frauen aus dem Arbeitsmarkt – all das sind Produkte des Patriarchats. Wenn aber ältere, mächtige Männer wahlweise für mehr rauchende, arbeitende, gebärende oder kämpfende Frauen werben, tun sie es nicht für den Feminismus. Sie tun es, weil sie Konsumentinnen, Arbeitskräfte, Mütter und Soldatinnen brauchen: die Frau als verfügbare Menschenmasse. Mit Emanzipation hat das wirklich gar nichts zu tun.
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