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Marsch für Palästina in TunesienKarawane für Gaza

In Tunis haben sich am Wochenende Tausende Ak­ti­vis­t*in­nen einem Marsch an die ägyptisch-israelische Grenze angeschlossen. Ihr Ziel: Druck aufbauen.

Reisegruppe nach Palästina: Ak­ti­vis­t:in­nen auf dem Weg nach Gaza Foto: reuters

Tunis taz | Mit den ersten Sonnenstrahlen um vier Uhr morgens trafen die ersten Aktivisten auf der noch leeren „Avenue Mohamed der 5“ in Tunis ein. Eine Stunde später standen schon hunderte Menschen Spalier und warteten auf die 12 Reisebusse, die von den Organisatoren der „Soumoud“-Bewegung gechartert worden waren.

2.000 Menschen mit Schlafsäcken, Reisetaschen, palästinensischen Fahnen und Strohhüten waren nach Schätzungen von Reportern des Radiosenders Mosaique FM, das live aus dem Zentrum der tunesischen Hauptstadt berichtete, in die schon morgens stechende Sonne gekommen. Das Ziel: Ein Marsch der Solidarität mit den Menschen in Gaza.

„Wir können nicht länger passiv zuschauen, wie die Bevölkerung in Gaza von Gaza ausgehungert und vertrieben werden soll“, sagt Wael Naouar der taz. Er ist einer der Sprecher der Bewegung, die sich für ein Ende der Blockade und die Wiederaufnahme der Lebensmittelhilfe durch die Vereinten Nationen einsetzen will. Anders als zunächst geplant werden keine Lebensmittel oder Medikamente mitgenommen. „Die Lagerhäuser von Rafah sind ja bis zum Dach mit Vorräten gefüllt“, sagt Nabil Channoufi von Soumoud, „doch sie werden nicht verteilt. Das wollen wir ändern.“

Die Lagerhäuser von Rafah sind ja bis zum Dach mit Vorräten gefüllt, doch sie werden nicht verteilt. Das wollen wir ändern.

Nabil Channoufi von Soumoud

Als sich die Busse pünktlich um 6 Uhr auf den Weg an die libysche Grenze machen, treffen noch immer Menschen ein. Neben den 50 Privatwagen, die offiziell Teil der „Karawane der Standhaftigkeit“ sind, schlossen sich nach Angaben der Polizei mehr als 500 weitere an. „Wir fahren aus Solidarität bis zum Grenzübergang Ras Jadir mit“, sagt Rad, ein Medizinstudent, der wie viele andere für die Mitreisenden aus den Resten des am Samstag zuende gegangenen Opferfestes Lunchpakete mitgebracht hatte.

Ausgelassene Stimmung

Palästinensische, algerische und tunesische Fahnen wurden vor der Anfahrt geschwenkt, dazu palästinensische Lieder oder Parolen wie „Free Palestine“ gerufen. Von der Spannung, die auf Gaza-Solidaritätsveranstaltungen in Berlin oder in anderen europäischen Städten auftreten, keine Spur, eher gelöste Stimmung.

„Es tut gut endlich aktiv sein zu können, wir sind wie die ganze Welt von den Horror-Bildern aus Gaza traumatisiert“, sagt Mohamed, ein Rentner. „Ich will mich nicht vorwerfen müssen, einem Völkermord tatenlos zugeschaut zu haben.“ Zuletzt habe er 2011 eine solche Welle der Solidarität erlebt, ruft er durch die Menge, bevor er in einen der Busse einsteigt.

Begonnen hatte die seit Monaten geplante Aktion bereits am Vortag in Algier, wo sich ebenfalls hunderte Neugierige die Aktivisten auf ihrem Weg nach Tunis verabschiedeten. Die algerischen Aktivisten waren im tunesischen Beja in ähnlich gelassener Stimmung empfangen und mit Proviant versorgt worden. In Tunis wurden für sie Privatunterkünfte organisiert. Offizieller Start der internationalen Solidaritäts-Karawane ist Tunis, über Tripolis und Kairo geht es nach Ma`Bar Rafah, der ägyptischen Seite des Grenzübergangs in den Gaza-Streifen.

Auf der Pressekonferenz in den Räumen der Gewerkschaft UGGT zeigte sich Channoufi am Sonntag nicht nur über das große Echo der Aktion zufrieden. „Mich freut, dass in allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen die Bereitschaft zu zivilem Widerstand weiterhin so groß ist.“ Es habe siebenmal mehr Anmeldungen als Plätze in den Bussen gegeben, so der Aktivist.

Ärzte, Journalisten, Ingenieure und Ärzte seien an Bord, sagt Wael Naour, in Kairo kämen Freiwillige aus 32 Ländern dazu. Die Dachorganisation, „Joint Action Coordination for Palestine“ hat mittlerweile in vielen Ländern Wurzeln geschlagen, es treffen offenbar immer weitere Anmeldungen ein. Wie man in Rafah gegen die Blockade vorgehen will, ist noch nicht klar, auf jeden Fall friedlich, sagen alle.

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3 Kommentare

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  • Lasst sie laufen. In ihren Heimatländern und im ägyptischen Zielort, dürfen sie ja nicht wie in Israel für eigene demokratische Rechte demonstrieren. Ebensowenig in den arabischen Bruderstaaten, oder unter der Hamasherrschaft.

  • Sehr gute und unterstützungswerte Aktion. Bitte mehr davon.

  • aha, und fordern die Marschierer auch die Freilassung der noch lebenden Geiseln? Davon stand nichts in dem Artikel. Ohne diese Forderung sind sie für mich unglaubwürdig.