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Gerissene Lämmer auf SyltGoldschakal zum Abschuss freigegeben

Das Raubtier hatte 93 Lämmer und Mutterschafe gerissen, nun bereiten sich Jäger auf den Abschuss vor. Experten fordern ein Konzept für das Leben mit dem Goldschakal.

Nachdem ein Goldschakal auf Sylt viele Lämmer und Mutterschafe gerissen hat, ist er jetzt zum Abschuss freigegeben Foto: Michaela Walch/imago

Göttingen taz | Auf Sylt bereiten sich Jäger darauf vor, einen Goldschakal abzuschießen. Das Tier hatte auf der Nordsee-Insel Dutzende Schafe gerissen und ihnen teils die Ohren abgebissen. War zunächst von rund 50 Opfern die Rede, verdoppelte sich die Zahl bis zum Donnerstag annähernd auf 93 getötete Lämmer und Mutterschafe.

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat den Schakal jetzt zum Abschuss freigegeben. „Keine einfache Entscheidung“, sagte Minister Tobias Goldschmidt (Grüne) dazu. Umwelt- und Jagdverbände im Bundesland befürworten das Vorgehen, obwohl Goldschakale in Deutschland geschützt sind.

Die Art hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von Süd- und Südosteuropa nach Mitteleuropa ausgebreitet, auch nach Deutschland. Wie viele der Raubtiere bundesweit in freier Wildbahn leben, lässt sich nur grob schätzen – anders als bei Wölfen gibt es bei Goldschakalen kein einheitliches Monitoring.

Das Massaker an den Sylter Schafen verwundert. Hieß es doch bislang, Goldschakale attackierten allenfalls vereinzelt mal ein Schaf. Auf ihrem Speisezettel stünden meist aber Beeren und Mais, Aas und Schlachtabfälle, Insekten, Amphibien, Fische sowie auch mal kleine Säugetiere wie Mäuse.

Experte: „Goldschakale sind Nahrungsopportunisten“

Grundsätzlich gelte das nach wie vor, sagt der Goldschakalexperte Felix Böcker vom Wildtierinstitut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg der taz. „Goldschakale sind Nahrungsopportunisten“, so Böcker. „Das heißt, dass sie sich von den Dingen ernähren, die in großer Zahl vorkommen und mit wenig Energieaufwand zu bekommen sind.“ Gleichzeitig seien Goldschakale sehr anpassungs- und lernfähige Tiere, „es gibt also auch immer Individuen, die sich auf bestimmte Verhaltensweisen spezialisieren können.“

Wildtiere, die sich von anderen Tieren ernähren, hätten ihr Jagdverhalten über eine lange Evolution den natürlichen Beutetieren angepasst, erläutert der Experte. Wichtig für den Jagderfolg sei, „dass ein Beutetier einen Reiz beim Jäger auslösen kann, der es dazu bringt, das Tier zu jagen und zu töten“. Dieses Verhalten werde unter natürlichen Bedingungen meist einmal ausgelöst, auch wenn andere Beutetiere präsent seien.

Komme es zu Situationen, in denen Beutetiere nicht mehr flüchteten – wie es bei den eingezäunten Sylter Schafen wohl der Fall war – könne der Reiz zu jagen und zu töten immer wieder ausgelöst werden. „Dieses sogenannte ‚surplus killing‘ ist genauso auch von Wölfen, Hunden, Füchsen oder Mardern bekannt.“ Dabei werde häufig mehr erbeutet als überhaupt gefressen werden könne.

Eher Ausnahme als Regel

Vorfälle wie jetzt auf Sylt blieben beim Goldschakal eine Ausnahme, betont Böcker. „Trotzdem werden solche Ausnahmen auch in Zukunft vorkommen.“ Ob der Sylter Goldschakal, sofern er dem beschlossenen Erschießungstod entgeht, auch in Zukunft Nutztiere angreifen wird, ist für Böcker längst nicht ausgemacht.

Er sieht im Abschießen auffälliger Einzeltiere ohnehin nicht die Lösung des Problems. Wichtig findet er, „dass ein qualitatives, ganzheitliches Management für den Umgang mit solchen Tierarten konzipiert wird“.

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8 Kommentare

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  • Dieser Goldschakal jagt leider nicht in der deutschen Provinz, sondern in einem Vorort von Hamburg (Blankenese). Einem Wolf oder jetzt einem Goldschakal muss daher zwingend behördlich entnommen werden.



    Deutsche Experten:innen haben sich jahrelang in ihren Kompetentzzentren und Meetingd mit dem Jagdverhalten von Wölfen beschäftigt. Da gab es mal den behördlich geforderten wolfssicheren Zaun von 90 cm und den Schäfer der seinen Hütehund aus dem Stand hat rüber springen lassen.



    Wer Schafe auf Sylt halten will braucht also auch Zaun, Herdenschutzhunde und einen versierten Rechtsanwalt (Sylt)



    ; ein HSH ist ja kein Kuscheltier, sondern ein selbständig arbeitender Schutzhund.

  • Die zahlreichen auswertbaren Beobachtungen mit Wildtierkameras werden hilfreich sein bei der dringend erforderlicheb Bestimmung d. aktuellen realen Populationsgröße d. auch nachtaktiven Sammlers (u.a. Aas) u. Jägers (vornehml. Kleintiere).



    Bei fr.de



    "Auch die Deutsche Wildtier Stiftung gibt an, die Populationsgröße sei unbekannt. Dort wird jedoch zugleich betont: „Als sehr anpassungsfähige Art mit einem breiten Nahrungsspektrum kann er in vielen unterschiedlichen Landschaften leben.“ Den ersten dokumentierten Nachweis eines Goldschakals auf Bundesgebiet gab es bereits vor mehr als einem Vierteljahrhundert – 1997 in Brandenburg."



    2023 bei merkur.de



    "Im Hessischen Spessart zieht ein Goldschakal umher. Das hat eine DNA-Untersuchung des Instituts Senckenberg zweifelsfrei bewiesen. Der genetische Nachweis wurde anhand von Proben aus zwei Schafen erbracht, die im Oktober in Biebergemünd (Main-Kinzig-Kreis) gerissen worden waren. „Ob der Goldschakal der Rissverursacher war, lässt sich nicht zweifelsfrei klären“, teilt das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) mit."



    Herdenschutzhunde u. Untergrabschutzmaßnahmen sind erforderlich.



    Näheres z. Tier b. waldwissen.net

  • "Er sieht im Abschießen auffälliger Einzeltiere ohnehin nicht die Lösung des Problems. Wichtig findet er, „dass ein qualitatives, ganzheitliches Management für den Umgang mit solchen Tierarten konzipiert wird“."

    Das ist goldrichtig. Ein guter Freund ist Chef der rumänischen Waldbesitzer und Oberförster in einem Teil der Karpaten mit hohem Bärenbestand und Wolfspopulation. Die Wöfe bereiten keine Probleme, obwohl es dort extensive Schafzucht gibt, die im Gegensatz zu uns keine Stallhaltung kennt. Dort helfen nur Herdenschutzhunde, der Schäfer übernachtet bei den Schafen; die Schutzhunde, eine ungarische Züchtung, sind äußerst aggressiv, auch gegenüber Menschen. Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen mit Wanderern. Letztlich ist es aber wohl der dünnen Besiedlung zu verdanken, dass Schafsrisse wie in Deutschland in Rumänien seltener zu beobachten sind. Falls es das noch nicht gibt: Das könnte Material für eine Vergleichsstudie sein.

    Wenn es in Rumänien Probleme gibt, sind es Bären, vor allem Bärenmütter mit ihren Jungen, die bis in die Vororte der Dörfer kommen. Da wird dann schon einmal ein Bär geschossen, weil es sonst einfach zu viele werden. Italien kann sich da was abschauen.

  • Also laut wikipedia bringen Goldschakale 8-10 kg auf die Waage. Und so ein Wicht soll 93! Schafe gerissen haben??

    • @QuantumRider:

      Wenn er nur die Ohren isst kann das passen. Anscheinend hat dieser individuelle Schakal ein a-typisches Verhalten und daher ist es , denke ich, richtig ihn zu „entnehmen“.

  • "Auf ihrem Speisezettel ..., Aas und Schlachtabfälle, Insekten, Amphibien, Fische, ..." . Ist Autor nur naive oder was will er mit der Verwunderung sagen? Ungefähr alles aus der obigen Liste wurde von Menschen aus der Umwelt verbannt, vergiftet oder extrem dezimiert.



    ... und wo soll das arme Tier jetzt Mais und Beeren her bekommen, etwa aus dem Supermarkt?

    • @TobiasK:

      Allerdings! Auch der pöhse Schakal wird lernen müssen sich bei Kasse 3 in die Schlange zu stellen

    • @TobiasK:

      Das "arme Tier" ist geschützt qua Gesetz:



      Schutz durch EU-Recht:



      "Der Goldschakal ist in Deutschland durch die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) geschützt und im Anhang V gelistet. Hiernach soll ein günstiger Erhaltungszustand der Tierart erreicht werden. Eine Bejagung ist aktuell auf dieser Grundlage rechtlich nicht möglich. Die Europäische Kommission ordnet den Goldschakal als nicht gebietsfremd ein. Im Gegensatz zu Neozoen wie Marderhund, Waschbär oder Nilgans wurde der Goldschakal nicht durch den Mensch in neue Gebiete verbracht, sondern breitet sich von selbst aus. In den Jagdgesetzen der Bundesländer ist der Goldschakal bisher lediglich in Niedersachsen mit einer ganzjährigen Schonzeit aufgeführt."



      Quelle



      www.waldwissen.net...kal-in-deutschland



      Außerdem zur Analogie der Rechtfertigung:



      "Viele Menschen übernehmen keine Verantwortung für ihr Fehlverhalten. Wie man ihre manipulative Taktik erkennt



      Wenn Menschen leugnen, dass sie etwas falsch gemacht haben, und zudem ihr Gegenüber attackieren, sprechen Psychologen von der Darvo-Methode. Wer sie kennt, kann sich davor schützen."



      Bei nzz.ch