Gerissene Lämmer auf Sylt: Goldschakal zum Abschuss freigegeben
Das Raubtier hatte 93 Lämmer und Mutterschafe gerissen, nun bereiten sich Jäger auf den Abschuss vor. Experten fordern ein Konzept für das Leben mit dem Goldschakal.

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat den Schakal jetzt zum Abschuss freigegeben. „Keine einfache Entscheidung“, sagte Minister Tobias Goldschmidt (Grüne) dazu. Umwelt- und Jagdverbände im Bundesland befürworten das Vorgehen, obwohl Goldschakale in Deutschland geschützt sind.
Die Art hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von Süd- und Südosteuropa nach Mitteleuropa ausgebreitet, auch nach Deutschland. Wie viele der Raubtiere bundesweit in freier Wildbahn leben, lässt sich nur grob schätzen – anders als bei Wölfen gibt es bei Goldschakalen kein einheitliches Monitoring.
Das Massaker an den Sylter Schafen verwundert. Hieß es doch bislang, Goldschakale attackierten allenfalls vereinzelt mal ein Schaf. Auf ihrem Speisezettel stünden meist aber Beeren und Mais, Aas und Schlachtabfälle, Insekten, Amphibien, Fische sowie auch mal kleine Säugetiere wie Mäuse.
Experte: „Goldschakale sind Nahrungsopportunisten“
Grundsätzlich gelte das nach wie vor, sagt der Goldschakalexperte Felix Böcker vom Wildtierinstitut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg der taz. „Goldschakale sind Nahrungsopportunisten“, so Böcker. „Das heißt, dass sie sich von den Dingen ernähren, die in großer Zahl vorkommen und mit wenig Energieaufwand zu bekommen sind.“ Gleichzeitig seien Goldschakale sehr anpassungs- und lernfähige Tiere, „es gibt also auch immer Individuen, die sich auf bestimmte Verhaltensweisen spezialisieren können.“
Wildtiere, die sich von anderen Tieren ernähren, hätten ihr Jagdverhalten über eine lange Evolution den natürlichen Beutetieren angepasst, erläutert der Experte. Wichtig für den Jagderfolg sei, „dass ein Beutetier einen Reiz beim Jäger auslösen kann, der es dazu bringt, das Tier zu jagen und zu töten“. Dieses Verhalten werde unter natürlichen Bedingungen meist einmal ausgelöst, auch wenn andere Beutetiere präsent seien.
Komme es zu Situationen, in denen Beutetiere nicht mehr flüchteten – wie es bei den eingezäunten Sylter Schafen wohl der Fall war – könne der Reiz zu jagen und zu töten immer wieder ausgelöst werden. „Dieses sogenannte ‚surplus killing‘ ist genauso auch von Wölfen, Hunden, Füchsen oder Mardern bekannt.“ Dabei werde häufig mehr erbeutet als überhaupt gefressen werden könne.
Eher Ausnahme als Regel
Vorfälle wie jetzt auf Sylt blieben beim Goldschakal eine Ausnahme, betont Böcker. „Trotzdem werden solche Ausnahmen auch in Zukunft vorkommen.“ Ob der Sylter Goldschakal, sofern er dem beschlossenen Erschießungstod entgeht, auch in Zukunft Nutztiere angreifen wird, ist für Böcker längst nicht ausgemacht.
Er sieht im Abschießen auffälliger Einzeltiere ohnehin nicht die Lösung des Problems. Wichtig findet er, „dass ein qualitatives, ganzheitliches Management für den Umgang mit solchen Tierarten konzipiert wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Konflikt zwischen Israel und Iran
Israel erklärt Lufthoheit bis nach Teheran
Israels Angriff auf Iran
Bomben für den Machterhalt
Israelischer Militärschlag gegen Iran
Die Angst vor der Bombe
Eskalation in Nahost
Iran feuert nach israelischem Großangriff Raketen auf Israel
Neue Tierversuche
Nur wenig Glyphosat – trotzdem Krebs
Auf den Kriegsdienst einstimmen
Antifa statt Bundeswehr