Eklat wegen Palästina-Shirt im Bundestag: Schockiert doch mal!
Die Bundestagspräsidentin schmeißt eine Linken-Abgeordnete raus – und unsere Autorin könnte nicht gelangweilter sein. Sie hat einen anderen Vorschlag.

D ie Nation kritisiert Politikerinnen, weil sie politische Kleidung tragen. Das ist lustig. Kritisiert auch irgendwer Fußballer, weil sie Fußballtrikots tragen?
Neben Jette Nietzard, Vorsitzende der Grünen Jugend, steht nun eine Bundestagsabgeordnete der Linken, Cansın Köktürk, im Fokus: Bereits im März trat sie mit dem umstrittenen Palästinensertuch Kufija im Parlament auf, diesen Mittwoch trug sie ein T-Shirt, auf dem das Wort „Palestine“ stand – ein Wort, nicht mehr und nicht weniger.
Doch das reicht für viele zum Skandal. Etwa für Julia Klöckner, die Bundestagspräsidentin, die gern im Kostüm oder Kleid kommt – womit die Würde des Amtes aus ihrer Sicht vermutlich abschließend erfüllt ist – und die sich leider nicht an ihre eigenen Worte hält. „Wir haben vereinbart – und das sind die klaren Regeln des Hauses –, dass weder Aufkleber noch sonstige Bekenntnisse auf T-Shirts eine Rolle spielen“, sagte sie. Eine Rolle spielte es überhaupt erst dadurch. Hätte Klöckner Köktürk einfach ignoriert, hätte die Regierungsmehrheit auch so ihre kriegerische, klimafeindliche Politik weitermachen können.
Während Boulevard und Bürgertum streiten, was im Bundestag nun erlaubt ist, lauert die größere Gefahr woanders: Wer sich mehr für Politik (also Inhalte) statt für Symbole und Spektakel interessiert, droht von diesem Zirkus zunehmend zu ermüden – und sich langfristig zu entfremden.

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Langweiliges Provokations-Game
Wen soll man eigentlich langweiliger finden? Das Establishment, das Frauen und Linke für ihr Äußeres maßregelt – Rock zu kurz, Haare zu lang, und so weiter. Oder Linke, die sich brav an die Spielregeln des Provokations-Games halten und im Bundestag auftreten wie im Wahlkampf und auf TikTok. Alles so vorhersehbar. Gähn.
Moralisch sind Grenzüberschreitungen, um Aufmerksamkeit auf Missstände zu lenken, natürlich völlig in Ordnung. Herrschende überschreiten andauernd Grenzen – und das gewaltsam. Aber das riesige Leid in Gaza ist inzwischen ebenso bekannt wie die antisemitische Gewalt der Hamas. Wirklich shocking wäre, wenn die Linke mal mit realistischen Vorschlägen für Vermittlung und Frieden auftreten würde.
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